LEUVENs JOURNAL 73
April 2015
( Seit / Since April 2009 )
Tagesgedanken, Impressionen und SpontanReaktionen
auf einstürmende Ereignisse und Medienschnitzel.
Auch Mittel zur Motivfindung = Anregungen und Titelideen für mögliche Werke.
(Anmerkungen rein lokalen Charakters werden nicht ins Englische übertragen.)
Thoughts of the Day, Impressions and SpontaneousReactions
to onrushing events and media-shreds.
Also a way to find motifs - stimulation and title suggestions for possible works.
(Notes with a strictly local context are not translated into English.)
©
Reinhard Leuven
Köln / Cologne
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Übertrag vom Juni 2014:
Diagnoseeröffnung 25. November 2013
Ende der Bestrahlungstherapie 27. Juni 2014
So eine Art Reise
Merkwürdige Reise
Weil es keinen klassischen Reisebeginn gab
Es sei denn
Man sieht die Geburt als Reisebeginn
... from the rocking of the cradle
to the rolling of the hearse ...
( Kris Kristofferson "The Pilgrim" - 1971 )
Die Klinik in dem Viertel
In dem ich aufwuchs
Das Strahleninstitut dort
Wohin der Vater in den 1950er Jahren
Jährlich mit einer Wallfahrt pilgerte
Für mich heute also eine Zeitreise
Tumor als Zeitmaschine
Immer Mosaiksteine sammeln
Nun die konstruktivistische Umsetzung der Impressionen
Die Zeitmaschine nutzen
Wie eine Festplatte voller Erinnerungen
Die Zeitmaschine als Detailentschlüsselungshilfe
Beginn der vorwärtsgerichteten Aufarbeitung
Es war eine anstrengende Zeit
Viele Mitmenschen trugen dazu bei
Dass sie erträglich blieb
Die Leute im Strahleninstitut und in der Klinik
R brauste mit seinem Bus
B war/ist immer da
Und etliche Andere machten/machen Mut
DANK AN ALLE
Update November 2014
Ein angebrochener Lendenwirbel
Wird entdeckt
Es muß geklärt werden
Warum Bruch
Metastasenaktivität ?
December 2014
Mittlerweile geht man davon aus
Dass es Metastasenaktivität ist
Es wird erneut Bestrahlungen geben
Es wurden wieder diverse Untersuchungen gemacht
Die beste Untersuchung ist eine PET mit PSMA
Sie macht Knochen und Weichteile sichtbar
Und zeigt, wo sich Metastasen gebildet haben
Januar 2015
Bestrahlungstherapie
Bis Mitte Februar
März 2015
Neue Metastasen entdeckt ...
... Beginn einer dritten Bestrahlungstherapie
Ende des Monats wurde die Therapie erweitert
und in den April hinein verlängert
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| 1. April 2015 - Dank an die guten Freunde aus der Heimatstadt von Max Ernst für diesen liebevoll aufmunternden Blumengruß! - Photo BG - Copyright BG + Reinhard Leuven |
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1. April 2015 - April 1, 2015
Mittwoch - Wednesday
Nichts wird leichter
So scheint es
Wie vermehrt man therapeutisch wertvolle Zuversicht
Wo Zuversicht doch so schwierig ist
Die Zahl der Schmerztabletten vermehrt sich
Damit die fragile Zuversicht stabiler werden kann
Damit der Kampfgeist nicht immer wieder durch Schmerzblitze reduziert wird
Wie Schneebälle, die Lawinen auslösen
Die Zuversicht hinweg fegen
Sturm "Niklas" läßt nach
Against the Wind
Ein Leben lang
Man hat doch Übung
Warum also nicht auch jetzt
Weiter, weiter, weiter
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3. April 2015 - April 3, 2015
Karfreitag - Good Friday
Die Schmerzen
Die Immobilität
Verhinderten einen Traditionsauflug
So auch traurige Gedanken
Dass es für mich der letzte Karfreitagsausflug dorthin sein könnte
Versuch eines kurzen Spaziergangs
Kam nicht weit
Wie immer das Nachdenken
Über diesen Tag
Über dessen Brutalität
Die theologisch Sinn machen soll
Kein Wunder
Wer dran glaubt
Wird Menschen auch keinen selbstbestimmten Tod zugestehen
Unglaublich dieser Glaube
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9. April 2015 - April 9, 2015
Donnerstag - Thursday
Bestrahlungspause
Um der Immobilität auf die Spur zu kommen
Um die Schmerztablettendosierung einzupendeln
Gehe im Flur an jenem Spiegel vorbei
An dem ich einst ein Rundholz montierte
Damit ein Wellensittich darauf landen konnte
Um mit seinem Spiegelbild quatschen zu können
Das Rundholz ist schon lange weg
Ich schaue mich an
Und rede nicht mit mir
Farbe gewichen
Gewicht verloren
Zwiesprache findet anders statt
Die Themen benötigen keine Spiegelung
Es gibt kein gespiegeltes Leben in der realen Welt
Schmerzen sind real
Deren Beschreibung ist eine Herausforderung
Auch deren Bekämpfung
Realität ohne Spiegelung
Ohne Schnörkel
Mut finden gegen die Angst
Ohne den nichts geht
Aber man findet ihn nicht immer
Man braucht Verbündete
Es tut gut
Wenn man merkt
Dass es sie gibt
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| 12. April 2015 - "Verschwimmend verschwinden - Rot" von Reinhard Leuven - Copyright Reinhard Leuven |
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12. April 2015 - April 12, 2015
Sonntag - Sunday
Wie sagen die Amerikaner
Wenn die Probleme außer Kontrolle geraten
When the shit hits the fan
Am Wochenende
Multiplizierten sich Mücken, schwarze Flecken, Schlieren und Prismen
Im linken Auge
Besonders eine große Schliere
Die Farbe wechselnd
Schwebte bedrohlich durch das Auge
Wie ein abgerissener Arm
Von Goya vielleicht
Die Faust der Wut erstarrt
Die Faust der Opfer
Vom schmerzenden Körper getrennt
Montag zum Augenarzt
Der mich gleich in die Augenklinik weiterreichte
Eine Schwellung hinter dem Auge
Vermutlich keine Metastase
Eine wichtige Diagnosemaschine defekt
Man wird Bescheid sagen
Wenn sie wieder einsatzbereit ist
In dieser Woche aber nicht mehr
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| 12. April 2015 - "Verschwimmend verschwinden - Schwarz" von Reinhard Leuven - Copyright Reinhard Leuven |
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Draußen
Oben am Himmel
In der Einflugschneise
Der Militärs in der Eifel
Schwebten zwei dunkle Kampfjets
Mehr Hitech geht nicht
Im April 2015
Die Militärs bestellen immer gleich mehrere Jets
Einen zum Fliegen für den Frieden
Und mehrere vom gleichen Muster
In Einzelteile zerlegt
Damit man immer genügend Ersatzteile hat
Für den Ernstfall
Den Verwaltern der modernen Humanmedizin
Ist das zu teuer
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13. April 2015 - April 13, 2015Montag - MondayNachruf auf Günter GrassZeitOnline 13.4.2015von Ulrich Rüdenauer"Ein Beschwörer und Mahner"Link
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14. April 2015 - April 14, 2015
Dienstag - Tuesday
Die Schmerzbekämpfung muß organisiert werden
Verbündete suchen
Die Bescheid wissen
Es wurde zugehört
Es wurde Rat gegeben
Man muß die Dosierungen ausprobieren
Immer so
Dass der Schmerz sich nicht auf der Festplatte einbrennt
Dort brennen schon genug Schmerzen
Unbewältigt
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| 14. April 2015 - Im Untergrund der Klinikwelt. - Photo + Copyright Reinhard Leuven |
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17. April 2015 - April 17, 2015
Freitag - Friday
Den großen Rhein zweimal überquert
Der Strahlenmann sagte
Sie sind überdosiert
Er sehe es meinen Augen an
Ich lallte mit ausgetrocknetem Pergamentmund
Ja, so gehe es mir auch
Probiere neues Schmerzpflaster aus
Auf dem Weg zurück
Im Kölner Stadthaus-Hades
Wähnte ich
Eine Erinnerung an meine Amerika-Jahre zu sehen
War die Überdosierung so schlimm
Verschwimmend verschwinden
Ein Traum
Nach Hause
Pflaster wechseln
Nein, keine Verschwendung
Die Zeit der stärkeren Pflaster
Wird noch kommen
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| 17. April 2015 - Erscheinung im Stadthaus-Hades zu Köln. - Photo + Copyright Reinhard Leuven |
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Auf dem Weg zurück von der Bestrahlung des Tages
Noch zum BioSupermarkt
B parkte auf der Rückseite
Ich saß immobil im Auto
Und dachte mal wieder über Realität nach
Über Ansprüche
Warum lassen wir uns diese synthetische Realität gefallen
Warum lassen wir uns verrohen
Warum nehmen wir alles einfach so hin
Unsere selbsterschaffene Realität hat nichts zu tun
Mit realem Leben
Mit dem Leben im natürlichen Jetzt
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| 17. April 2015 - Warum lassen wir uns Realität gefallen? - Photo + Copyright Reinhard Leuven |
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18. April 2015 - April 18, 2015
Samstag - Saturday
Lebensrealität
Ohne unseren synthetischen Zeitbegriff
Ohne Angst
Völlig selbstbestimmt
Utopie
Warum haben so viele Menschen Angst
Vor einem unangepaßten und selbstbestimmten Leben
Vor Eigenverantwortung
Warum überlassen wir unser eigenes Leben
Zeitdieben und Rattenfängern
Die sich am Ende aus ihrer Verantwortung stehlen
Und die Schuld den Opfern geben
Was ist Realität
Was ist Utopie
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| 18. April 2015 - Magnolienblüte auf dem Weg zum Kölner Stadtwald. - Photo BG - Copyright BG + Reinhard Leuven |
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| 21. April 2015 - Am Rhein bei Frühlingswetter zwischen Süd- und Deutzer Brücke. - Photo BG - Copyright BG und Reinhard Leuven |
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21. April 2015 - April 21, 2015
Dienstag - Tuesday
Nach Bestrahlung
Auf dem Heimweg
Kurz zu den Rheinwiesen
Bei sonnigem diesigem Frühlingswetter
Leichte Rheinbrise
Frische Luft
B ging hinunter zum Ufer
Fotografierte einen Rheinfrachter aus der Schweiz
Dessen Name Erinnerungen weckte
Ein Moment der Freiheit
Ein Lebensmoment
Mir kamen Tränen
Wie lange noch
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| 21. April 2015 - Am Rhein bei Frühlingswetter zwischen Süd- und Deutzer Brücke. - Photo BG - Copyright BG und Reinhard Leuven |
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23. April 2015 - April 23, 2015
Donnerstag - Thursday
Jeden Morgen wache ich auf
Nach schlecht durchträumten Nächten
Und hoffe
Dass wie bei einer schlimmen Grippe
Mir es heute besser gehe
Aber nein
Das wird nicht mehr geschehen
Es ist eine hoffnungslose Illusion
Mit jedem Tag wird die Gesamtzeit kürzer
Prognosen gibt es nicht
Weder für den möglichen Verlauf
Und schon gar nicht für die zu erwartende Zeitspanne
Jeden Morgen geht das so
Die Zeit zerrinnt irgendwo hin
Reißt mit sich die Gedanken über Sterbehilfe
Über das Inhumane dieser angeblichen Humangesellschaft
Die die Umwelt sehenden Auges zerstört
Kriege führt
Große Reden schwingt
Orden verleiht
Junge Menschen bestraft
Die nicht im Staatsauftrag töten wollen
Das höchste Gut ist das Leben
Die Zeit zerrinnt beharrlich irgendwo hin
Der autonome Mensch ist Utopie
Gefahr für bestehende Strukturen
Drum darf er auch nicht über sein Leben bestimmen
In letzter legaler Instanz nicht
Da wird das angeblich Humane inhuman
Was sagt das aus über uns ?
Jedem Hund gönnt man ein schmerzloses Ende
Doch nicht dem Mensch in diesem Lande
Es gibt humanere Länder um uns herum
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| 23. April 2015 - Auf einer der großen Schaufensterscheiben des leerstehenden Kaufhof-Gebäudes an der Kalker Hauptstrasse steht dieser magische Gruß. - Photo BG - Copyright BG + Reinhard Leuven |
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25. April 2015 - April 25, 2015
Samstag - Saturday
Es war eine anstrengende Woche
Von Medizininstitution zu Medizininstitution
Es muß eine Frage gestellt und geklärt werden
Chemo oder keine Chemo
Es gab diese Woche Sommerwetter
Also bei herrlichstem Sonnenschein durch die quirlige Stadt fahren
Trotz der Sonne
Die Tiefgaragen, die Wartebereiche entmutigen
Zurück in die Sonne
Wieder durch das quirlige Leben der Stadt
Autoklimaanlage nur selten eingeschaltet
Weil kalte Zugluft gerade jetzt unerwünscht ist
Ausgerüstet wie im Urlaub
Hemd zum Wechseln
Thermoskanne voll Wasser
Ja, fast wie im Urlaub
Aber nein, es ist eine andere Realität
Das quirlige Leben zieht an einem vorbei
Man ist vorbeifahrender Zuschauer
Aus einer anderen zeitlich begrenzten Realität
Von Tiefgarage zu Tiefgarage
Von Wartebereich zu Wartebereich
Man ist erschöpft und klapprig
Zwischendurch Schmerztabletten
Wie aufnahmefähig ist der kranke Mensch
Was hält er aus
Was ist noch zumutbar
Merkwürdige Zeichen ziehen vorbei
Hinweise aus einer fernen Welt
Aus der Utopie
Von der wir alle träumen
Ich sehe den Gruß
Und eine P-38 Lightning fliegt im Tiefflug über die Kalker Hauptstraße
Saint-Exupéry winkt mit den Tragflächen
Sternenstaub in der Luft
Ich wische mir die Augen
Die Kalker Kapelle verschwimmt
In der der Vater einst vergeblich betete
Sternenstaub in der Luft
Die Zeit, die Zeit, die Zeit
Der lange Schal des Kleinen Prinzen
Weht im Wind der unendlichen Zeit
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| 25. April 2015 - Blick zum Kölner Dom als diese Woche die Sonne schien. - Photo BG - Copyright BG + Reinhard Leuven |
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30. April 2015 - April 30, 2015
Donnerstag - Thursday
Am Montag fand in der Augenklinik die Angiographie statt
Phantastisches Blendwerk in den Augen
Benommen wankte ich in den Wartebereich zurück
Gestützt von B, die immer dabei ist
Ich sah alles rot
Tiefrot
Wie durch den Farbfilter eines Sichtgeräts eines Marinegeschützes
Gefechtsfilter brennendes Deck
Diagnose: Infarkt im linken Auge
Blutverdünnendes Mittel einnehmen
Das Rot wich wieder den normalen Farben
Doch das gespritzte Kontrastmittel
Färbte mein Gesicht gelb
Draußen wehte kalter Wind
Nach Hause, nach Hause
Irgendwie die Verzweiflung in den Griff kriegen
Zum Glück ist das Sehzentrum nicht betroffen
Weiter, weiter, weiter
Der April geht zu Ende
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